KOmmunikation

Kommunikation mit Mehrwert: Das Harvard-Konzept als Superkraft im Alltag

Wer kennt sie nicht – die scheinbar endlosen Diskussionen im Unternehmen: Budgetverteilungen, Projektprioritäten oder gar die große Kaffeesorten-Frage. Willkommen im Alltag der kleinen und großen Verhandlungen! Sie sind unvermeidlich und passieren viel häufiger, als uns bewusst ist. Leider verlaufen sie oft frustrierend, enden ohne echte Lösung oder – schlimmer noch – mit einem beleidigten Gegenüber. Zeit, das zu ändern. Bühne frei für das Harvard-Konzept!

Das Harvard-Konzept kurz erklärt

Das Harvard-Konzept ist so etwas wie das Schweizer Taschenmesser unter den Verhandlungsmodellen. Ursprünglich für große internationale Vertragsverhandlungen entwickelt, entfaltet es auch im ganz normalen Büroleben seine Wirkung. Und zwar mit vier einfachen, aber wirkungsvollen Prinzipien:

  1. Menschen und Probleme trennen – Der Kollege ist nicht das Problem, sondern (hoffentlich) Teil der Lösung.
  2. Auf Interessen statt Positionen fokussieren – Statt „Ich will 100.000 Euro Budget“ lieber: „Ich brauche das Budget, um X zu erreichen.“
  3. Optionen entwickeln, bevor man entscheidet – Erst die Möglichkeiten, dann die Wahl. Kreativ sein lohnt sich.
  4. Objektive Kriterien nutzen – Fakten statt Faustregeln. Gemeinsam an Standards orientieren.

Ein Beispiel aus dem echten Leben: Vertrieb vs. Innovation

Die eine will ein innovatives neues Produkt entwickeln, der andere durch eine neue Vertriebsaktion Umsatz generieren. Es gibt aber nicht genügend Ressourcen, um alles umzusetzen. Ein Klassiker.

Geht man nach dem Harvard-Konzept, lautet der erste Schritt: Sachlich bleiben und das Gegenüber nicht angreifen. Der Vertriebsleiter möchte kurzfristig Erfolge sehen (und wer will das nicht?), die Innovationsleiterin denkt langfristig an die Marktposition.

Lösung: Eine Kombination. Ein Teil des Budgets geht in die Vertriebsaktion, der andere Teil finanziert einen schnellen, schlanken Prototyp nach dem Lean-Startup-Prinzip. Sollte das Innovationsprojekt zünden, gibt’s im nächsten Quartal mehr Geld. Falls nicht, heißt es: zurück zum Umsatz-Booster.

Wichtig: Entscheidungen basieren auf objektiven Kriterien: Umsatzpotenziale, Resonanz im Markt, ROI. Gefühle sind willkommen, aber nicht entscheidend.

Mit dem Verhandlungsboard einen strukturierten Prozess durchlaufen

Vor allem bei Verhandlungsthemen, die komplex sind oder Emotionen schüren, lohnt sich eine strukturierte Vorbereitung und Gesprächsführung. Das Verhandlungsboard kann hier eine Hilfe sein. Folgendes Vorgehen hat sich in solchen Fällen bewährt.

Vorbereitung mit Verstand und Visualisierung

  • Einzelgespräche mit allen Beteiligten führen. In den Gesprächen mit den jeweiligen Beteiligtenzwischen Position und Bedarf unterscheiden. Lassen Sie Raum für Emotionen. Manchmal hat sich über die Konfliktzeit so viel Emotion angestaut, dass sie erst mal raus muss.
  • Interessen & Bedürfnisse im Vorfeld schriftlich fixieren. Wichtig ist dabei, dass die Inhalte in einer sachlichen Sprache festgehalten werden.
  • Vorbereitung auf einem Verhandlungsboard: digital (z.B. mit MIRO oder MURAL) oder als Plakat in A0, mit Spalten für Beteiligte, Interessen, Optionen und Kriterien. Anbei eine Vorlage in A0.
  • Im Vorfeld kann man sich bereits auf die Ziele des Austausches einigen. Häufig gibt es mehr Themen als Zeit, daher ist Fokussieren sehr wichtig. Denn schließlich ist es besser, weniger besprochen und zu einer Entscheidung gekommen zu sein, als viele Themen anzureißen und keines zum Abschluss zu bringen.
  • Die Teilnehmenden werden notiert. Grundsätzlich gilt, eine kleinere Runde ist einfacher zum Erfolg zu führen, allerdings sollte die Gesprächsrunde die verschiedenen Perspektiven einer Herausforderung aufzeigen können und entscheidungsfähig sein. Der Ort und die Zeit sollten ebenfalls rechtzeitig abgestimmt werden. Typischerweise unterschätzt man den Zeitbedarf.
  • Die Regeln im Gespräch können bereits im Vorfeld besprochen werden. Häufig finden sich folgende oder ähnliche Spielregeln wieder:
    • Hart in der Sache und freundlich im Ton
    • Ergebnisoffen verhandeln
    • Die Teilnehmenden sind gemeinsam für das Ergebnis verantwortlich – nicht die Moderation
    • Sofortige Dokumentation der Bedürfnisse, Lösungsoptionen und Ergebnisse auf dem Board
  • Die Bewertungskriterien (Optional) können bereits im Vorfeld festgelegt werden. Dies können betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie z.B. Umsatz, Marktposition usw. sein.

Der eigentliche Termin: Klar, freundlich, verbindlich

Folgende Agenda ist in so einem Termin nicht untypisch:

  • Begrüßung, Regeln, Zielklärung
  • Verständnis für die andere Partei schaffen: Interessen, die zu Positionen führen, austauschen und gegenseitig spiegeln
  • Kreative Lösungssuche
  • Objektive Kriterien einbeziehen
  • Verbindliche Vereinbarungen festhalten (inkl. wer macht was bis wann)

Ganz wesentlich ist dabei, dass klar ist, wer durch den Termin moderiert. Idealerweise ist die Person weder fachlich noch emotional beteiligt und hat in dem Termin nicht zwei Rollen inne. Es ist wichtig, dass die Moderation nicht nur unparteiisch ist, sondern dass es die Beteiligten auch so wahrnehmen.

Ebenfalls ist es wichtig, dass Bedarfe und Lösungsideen sowie Entscheidungen und Todos als (digitale) Post It`s mitgeschrieben werden. Bei komplexen oder großen Terminen ergibt es Sinn, dass zwei Personen die Moderation übernehmen. Eine Person fokussiert auf die Gesprächsführung und die andere Person verantwortet die Verschriftlichung.

Die Moderation ist dafür verantwortlich, dass die Agenda strukturiert und im vorgegebenen zeitlichen Rahmen bearbeitet wird. Auch die Einhaltung der Regeln im Austausch ist sehr wichtig. Es darf Raum für Emotionen geben, aber auf einen wertschätzenden gemeinsamen Umgang ist penibel zu achten.

Bei den Todos ist es essenziell, dass nicht nur die Todos, sondern die Verantwortlichkeiten und Umsetzungstermine festgehalten werden.

Nachbereitung

Im Nachgang wird das Ergebnis der Verhandlung allen Beteiligten zur Verfügung gestellt. Es ist eine Frage der Unternehmenskultur, ob aus dem Board ein klassisches Protokoll erstellt werden muss oder ob das Verhandlungsboard ausreicht. Reicht das Verhandlungsboard aus, sollte die Moderation bei Bedarf die Post Its auf Verständlichkeit prüfen und ggfs. ergänzen. Insgesamt sollte sich die Moderation für die schnelle Verteilung der Dokumentation verantwortlich fühlen.
Ein Follow-Up-Termin sollte unbedingt im Nachgang stattfinden, um die Umsetzung der Todos und vor allem deren Wirksamkeit zu besprechen. Idealerweise ist der Follow-Up-Termin Teil der Todos.
Im Nachgang empfiehlt es sich, eine Reflexion durchzuführen. Dabei wird der Prozess und auch das Verhältnis der Parteien zueinander reflektiert. Es kann sein, dass diese Vorgehensweise sich als sehr gut erwiesen hat, so dass man das nächste Konfliktthema angeht.

Das Verhandlungsboard: Das Tool für Klarheit & Struktur

  • Das Verhandlungsboard ist nicht essenziell für eine Verhandlung. Es kann jedoch helfen – vor allem, wenn das Vorgehen für die Moderation noch neu ist:
  • Vorbereitungshilfe: Positionen und die Interessen dahinter verstehen und differenzieren
  • Agenda: Was besprechen wir?
  • Dokumentation: Was wurde vereinbart?
 

Das Verhandlungsboard hilft, Missverständnisse zu vermeiden, Verantwortung sichtbar zu machen und alle mitzunehmen.

Beispiel eines ausgefüllten Verhandlungsboards:

Fazit

Verhandeln muss nicht anstrengend sein. Mit dem Harvard-Konzept, einer klaren Struktur und einem Verhandlungsboard erzielt man in Verhandlungen tragfähige Ergebnisse und kann dabei gleichzeitig noch die Beziehungen verbessern. Und das sogar bei der Kaffeesorten-Frage.
Anlage: Verhandlungsboard als PDF-Datei