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In der Beratung kennt jeder das Klischee: Eine Kund:in sagt, sie braucht „ein neues Organisationsdesign“, doch in Wirklichkeit steckt hinter dem Wunsch eine ungelöste Kommunikationskultur oder fehlende strategische Klarheit. Genau hier zeigt sich die entscheidende Bedeutung der Auftragsklärung. Denn nur wenn Beratende und Auftraggebende dieselbe Problemstellung verstehen und dieselben Ziele anstreben, entsteht eine Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Die Auftragsklärung ist jedoch kein Selbstläufer.
Häufig gestaltet sich gerade dieser erste Schritt als besonders anspruchsvoll, denn die Zielstellung ist nicht immer so klar, wie es auf den ersten Blick scheint. Es bedarf einer gezielten, empathischen und systematischen Vorgehensweise, um sowohl die expliziten als auch die impliziten Erwartungen des Auftraggebers zu erfassen. Dabei ist es hilfreich, typische Fehler zu kennen – und noch hilfreicher, Wege zu kennen, sie zu vermeiden.
Die 5 häufigsten Fehler in der Auftragsklärung – und wie Sie sie vermeiden
- Schnellschuss ohne tiefere Analyse
Einer der gravierendsten Fehler ist der voreilige Start eines Projekts ohne eine fundierte Analyse der Ausgangslage. Zu schnell wird auf die erste geäußerte Problemstellung reagiert, ohne die eigentliche Ursache zu hinterfragen. Dies führt oft dazu, dass Ressourcen in die falschen Ansätze investiert werden.Nutzen Sie Techniken wie gezielte Fragetechniken oder Stakeholder-Interviews, um die Problemstellung hinter der Problemstellung zu identifizieren. Fragen wie „Was würde sich konkret verbessern, wenn das Ziel erreicht wird?“ oder „Was hat bisher daran gehindert, dieses Ziel zu erreichen?“ schaffen Tiefe.
- Fehlende Abstimmung der Erwartungen
Nicht selten gehen Auftraggebende und Beratende mit unterschiedlichen Erwartungen in das Projekt. Die Auftraggebenden möchten schnelle Ergebnisse; die Beratenden plädieren auf langfristige Strukturanalysen. Ohne eine klare Klärung dieser Erwartungen entstehen Missverständnisse und Unzufriedenheit auf beiden Seiten.Führen Sie zu Beginn des Projekts eine Erwartungsabstimmung durch, die sowohl die Zielsetzung als auch die zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen umfasst. Ein gemeinsames schriftliches Briefing kann dabei helfen, Missverständnisse zu vermeiden.
- Vernachlässigung der Stakeholder-Perspektiven
Ein weiterer Fehler ist es, die Perspektive aller relevanten Stakeholder:innen nicht ausreichend einzubeziehen. Wenn die Auftragsklärung nur mit der obersten Führungsebene erfolgt, besteht die Gefahr, dass wesentliche Details aus der operativen Praxis übersehen werden.Berücksichtigen Sie bei der Auftragsklärung sowohl die strategische als auch die operative Ebene. Workshops oder Interviews mit Vertreter:innen unterschiedlicher Ebenen und Abteilungen können hier wertvolle Einblicke liefern.
- Unklare Zieldefinition
Ein Klassiker: Das Ziel des Projekts bleibt schwammig. Begriffe wie „Verbesserung der Agilität“ oder „Optimierung der Prozesse“ sind zu unspezifisch und bieten keine klare Richtung.Nutzen Sie beispielsweise SMART-Kriterien (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert), um Ziele zu definieren. Statt „Verbesserung der Agilität“ könnte ein Ziel lauten: „Erhöhung der Reaktionszeit auf Marktveränderungen um 20 % innerhalb der nächsten sechs Monate.“
- Ignorieren von versteckten Agenden
In vielen Fällen existieren hinter der offiziell kommunizierten Zielsetzung ungesagte Erwartungen oder gar politische Agenden. Wird dies übersehen, kann es im Projektverlauf zu Konflikten kommen.Schaffen Sie ein Vertrauensverhältnis und nutzen Sie Fragetechniken, die implizite Erwartungen offenlegen. Fragen wie „Was ist Ihnen persönlich an diesem Projekt besonders wichtig?“ oder „Gibt es Themen, die wir im Hintergrund beachten sollten?“ können hier hilfreich sein.
Wie aber gelingt eine gute Auftragsklärung?
Eine gelungene Auftragsklärung basiert auf Struktur und Methodik. Folgende Schritte haben sich bewährt:
- Kick-off-Gespräch: Führen Sie ein strukturiertes Erstgespräch mit den Auftraggebenden, um die Ausgangssituation und erste Ziele zu klären. Nutzen Sie offene Fragen, um die Bedürfnisse und Erwartungen zu erfassen.
- Stakeholder-Analyse: Identifizieren Sie alle relevanten Beteiligten und deren Perspektiven. Klären Sie, wer welche Rolle im Projekt spielt und welche Interessen vertreten werden.
- Hypothesenbildung: Entwickeln Sie erste Hypothesen zur Problemstellung und lassen Sie diese durch weitere Gespräche und Daten validieren.
- Zieldefinition: Arbeiten Sie gemeinsam mit den Auftraggebenden an einer klaren Zielsetzung. Fassen Sie diese schriftlich zusammen und stimmen Sie sie ab.
- Dokumentation: Halten Sie die Ergebnisse der Auftragsklärung schriftlich fest und erstellen Sie ein Briefing-Dokument, das als Leitfaden für das gesamte Projekt dient.
Fazit: Auftragsklärung als Fundament erfolgreicher Projekte
Die Auftragsklärung ist weit mehr als eine Formalität zu Beginn eines Projekts – sie ist das Fundament, auf dem eine vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit zwischen Beratenden und Auftraggebenden entsteht. Fehler wie unklare Zieldefinitionen oder das Ignorieren von Stakeholder:innen-Perspektiven können den Projekterfolg gefährden, lassen sich jedoch durch strukturierte und systematische Vorgehensweisen vermeiden.
Indem Sie ausreichend Zeit und Sorgfalt in die Auftragsklärung investieren, legen Sie den Grundstein für eine Zusammenarbeit, die nicht nur erfolgreich ist, sondern auch für beide Seiten Mehrwert schafft. Denn nur wenn das Ziel klar ist, kann der Weg dorthin zielgerichtet gestaltet werden.
Sollte eine Auftragsklärung nicht in diesem Umfang möglich sein, führen Sie den Prozess notfalls auch ohne die Auftraggebenden durch und notieren Sie sich Ihre Hypothesen und Annahmen. So können Sie diese auch im bereits gestarteten Projekt immer wieder überprüfen und anpassen, so dass Sie für beide Seiten eine erfolgreiche Zusammenarbeit sicherstellen können.