
Warum starten wir eigentlich nicht mit dem Warum?
Warum das Warum ein guter Startpunkt ist?
Wir erleben in unserer Arbeit mit Organisationen immer wieder: Wer mit dem Warum beginnt, öffnet den Möglichkeitsraum. Statt sich in Detaildiskussionen zu verlieren, entsteht ein Dialog über Sinn, Wirkung und Identität. Zwei Fragen helfen dabei besonders gut:
- Was ist der Kern Ihres Unternehmens aus Sicht der Kund:innen?
- Was ist der Kern aus Sicht der Mitarbeitenden und Führungskräfte?
Die Antworten sind oft erstaunlich unterschiedlich – und genau darin liegt der Wert. Wo sich Perspektiven überschneiden, liegt ein stabiles Fundament. Wo sie auseinanderklaffen, beginnt die Arbeit.
Das Wie – der methodische Unterbau
Im zweiten Schritt betrachten wir das Wie: die Art und Weise, wie eine Organisation ihre Ziele verfolgt.
Hier wird der Golden Circle konkret – und oft auch unbequem. Denn es geht nicht darum, wie es auf dem Papier aussieht, sondern wie es tatsächlich gelebt wird.
Damit das Wie seine volle Wirkung entfalten kann, braucht es mehrere Bausteine, die sich gegenseitig verstärken:
- Werte und Prinzipien: Was ist Ihnen wirklich wichtig? Wie möchten Sie miteinander umgehen? Welche Verhaltensweisen sind erwünscht – und welche nicht?
- Führungsverständnis: Welche Rolle spielt Führung in Ihrer Organisation? Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie viel Verantwortung wird delegiert?
- Zusammenarbeit und Kommunikation: Wie organisieren sich Teams? Welche Kommunikationsformate gibt es? Wie stellen Sie sicher, dass Informationen fließen – auch zwischen Silos?
- Prozesse und Routinen: Welche Prozesse unterstützen (oder behindern) Ihre Ziele? Wie flexibel oder starr sind Ihre Abläufe?
- Feedback- und Lernkultur: Wie gehen Sie mit Fehlern um? Wie lernen Sie als Organisation? Wie wird Feedback gegeben und aufgenommen?
- Technologie und Tools: Welche Systeme nutzen Sie? Unterstützen sie Ihre Zusammenarbeit – oder sind sie Bremsklötze?
- Strukturen und Rollen: Wer macht was? Gibt es Klarheit über Zuständigkeiten? Sind Rollen starr definiert oder adaptiv?
Ein konkretes Beispiel:
In einem Unternehmen wurde der Wert „Verantwortung“ neu definiert. Die Mitarbeitenden verstanden darunter nicht nur die Übernahme von Aufgaben, sondern auch das Recht, Entscheidungen innerhalb klarer Rahmenbedingungen eigenständig zu treffen. Für die Führungskräfte bedeutete es, loslassen zu lernen und Vertrauen zu schenken.
Daraus ergaben sich weitreichende Konsequenzen: Rollenbeschreibungen wurden angepasst, Entscheidungsprozesse dezentralisiert und ein Eskalationsmechanismus eingeführt, der nicht bestrafend, sondern unterstützend wirkt. Auch das Onboarding wurde überarbeitet – neue Mitarbeitende werden nun gezielt auf ihre Entscheidungsspielräume vorbereitet. Der Wert „Verantwortung“ veränderte so nicht nur das Mindset, sondern auch konkrete organisatorische Strukturen.
Das Was – Produkte, Leistungen und ihr Echo
Im letzten Schritt beleuchten wir das Was: die Leistungen, die ein Unternehmen anbietet. Hier geht es nicht nur um Produktportfolios, sondern auch um den Abgleich mit den zuvor erarbeiteten Werten und Prozessen. Passen Produktversprechen und Unternehmenskultur zusammen? Unterstützt die Struktur die Leistungserbringung – oder behindert sie sie?
Gerade in Veränderungsprozessen zeigt sich oft, dass das „Was“ mit einem überholten „Wie“ kollidiert – oder das „Warum“ längst keine tragfähige Orientierung mehr bietet. Wenn dieser Abgleich gelingt, entstehen belastbare Grundlagen für eine Transformation.
Vom Modell zur Realität: So wenden wir den Golden Circle an
In unseren Workshops mit Kund:innen – vom Mittelstand bis zum Großkonzern – nutzen wir den Golden Circle als Gesprächsstruktur. Wir laden Mitarbeitende und Führungskräfte ein, ihre Sichtweisen zu teilen, Unterschiede zu benennen und Gemeinsamkeiten zu stärken. So entstehen keine theoretischen Konzepte, sondern tragfähige Designs, die anschlussfähig für die Praxis sind.
Ein typischer Workshopverlauf:
- Einstieg mit ausgewählten Praxisbeispielen aus dem Unternehmen
- Gemeinsames Erarbeiten von Was, Wie und Warum
- Identifikation von Spannungsfeldern und Entwicklungsfeldern
- Ableitung konkreter Maßnahmen in einer To-do-Roadmap
Die Kunst dabei: Wir wechseln bewusst zwischen strategischer Flughöhe und operativer Bodenhaftung. Denn echte Veränderung entsteht nur, wenn beides zusammenkommt.
10 Tipps für eine wirksame Anwendung des Golden Circle
- Starten Sie mit echten Fragen – nicht mit Buzzwords. Wer das „Warum“ mit Plattitüden beantwortet, verliert die Menschen.
- Erheben Sie unterschiedliche Perspektiven – Kund:innen, Mitarbeitende, Führungskräfte. Nur so entsteht ein vollständiges Bild.
- Machen Sie Begriffe greifbar – statt „Innovation“ oder „Wertschätzung“ lieber: Wie sieht das konkret im Alltag aus?
- Verknüpfen Sie Strategie mit Alltag – der Golden Circle entfaltet seine Wirkung nur, wenn er im operativen Handeln verankert wird.
- Verstehen Sie Werte als Handlungseinladung – nicht als Postertext. Gute Werte führen zu Entscheidungen.
- Stellen Sie das „Wie“ auf den Prüfstand – Prozesse, Rollen, Meetings: Unterstützen sie das gewünschte Verhalten?
- Vermeiden Sie Silodenken – interdisziplinäre Teams sorgen für realistische und anschlussfähige Ergebnisse.
- Nutzen Sie externe Moderation – ein neutraler Blick von außen kann helfen, blinde Flecken sichtbar zu machen.
- Bleiben Sie iterativ – der Golden Circle ist kein Einmalprojekt, sondern ein Arbeitsmodus.
- Und: Drehen Sie die Reihenfolge auch mal um – manchmal hilft es, beim Konkreten zu starten (Was), um sich dem Abstrakten (Warum) zu nähern. Gerade Teams ohne viel Reflexionserfahrung profitieren davon. Wichtig ist nur: Am Ende muss der Kreis geschlossen werden.
Der Golden Circle als Brücke zwischen Denken und Handeln
Das größte Missverständnis in der Organisationsentwicklung ist oft der Glaube, man könne Strukturen ändern und der Rest folgt schon. Unsere Erfahrung: Ohne ein geteiltes Verständnis von Sinn und Zielsetzung bleiben neue Prozesse bloße Fassade.
Der Golden Circle hilft, dieses Verständnis zu entwickeln – auf Augenhöhe, partizipativ und konkret. Ob Sie mit dem Warum beginnen oder sich von der Praxis her vortasten: Entscheidend ist, dass der Kreis geschlossen wird. Denn nur so entsteht ein Organisationsdesign, das Menschen verbindet, Strategien ermöglicht und Wert schafft.